Dass wir beim Shoppen heutzutage Hosen, Shirts oder Kleider von Größe 36 bis 44 mit in die Umkleidekabine schleppen, liegt nicht daran, dass wir uns über Nacht das Formwandeln beigebracht haben. Eine kurze Geschichte der Konfektionsgrößen.
Weibliche Schönheitsideale waren immer schon im Wandel. In der Renaissance konnte der weibliche Körper gar nicht üppig genug sein, in den 1920ern waren große Brüste out, in den 50er-Jahre galten Kurven dafür als besonders begehrenswert. In den 2000ern ersetzten Hungerhaken sportliche Models auf dem Laufsteg, aktuell gibt es in der Modewelt – zumindest offiziell – Bestrebungen, sich vom „Size zero“-Standard zu lösen.
Jetzt sind Standard und Ideal natürlich nicht dasselbe, historisch betrachtet wird aber Ersteres seit der Jahrhundertwende zusehends von Letzterem abgeleitet.
Körper nach Zahlen
Der erste Versuch, die bis Ende des 19. Jahrhunderts im Schneidergewerbe gängigen, höchst unterschiedlichen Größensysteme zu standardisieren, stellte das in Berlin erfundene „Sternsystem“ dar. Es markierte verschiedene Kleidergrößen durch unterschiedlich farbige Sterne. Blau stand für jugendliche Mädchengrößen, Gelb für die Durchschnittsfrau, Rot und Grün für ältere Damen.
In den 50er-Jahren wurden Ideal und Norm mithilfe der ersten modernen Konfektionsgrößentabellen endgültig miteinander verwoben. Um nicht völlig an der Kundschaft vorbeizuschneidern, werden im deutschen Hohenstein Institute in Schwaben seit 1957 regelmäßig sogenannte „Reihenmessungen“ durchgeführt, um die durchschnittlichen Körpermaße von Männern, Frauen und Kindern zwischen 6 und 87 Jahren zu ermitteln.
Theoretisch also wissen Modefirmen, die auf diese Daten zugreifen, ziemlich gut Bescheid über die Körper ihrer Kundschaft. Etwa dass Frauen seit 1994 einen Zentimeter gewachsen sind und beim Brustumfang 2,3 Zentimeter, bei der Taille 4,1 Zentimeter zugelegt haben. Die durchschnittliche Österreicherin trägt heute Größe 42. Trotzdem wird sie, so wie fast jede andere Frau, die bei großen Modeketten Kleidung kauft, wohl auch Stücke in 38 oder 44 mitnehmen. Oder sie zieht gleich wieder von dannen, weil ein durchschnittlicher weiblicher Körper nun mal in keine Größe 32 (das ist das Durchschnittsmaß von Schaufensterpuppen) passt.
Norm versus Ideal
Es gibt unterschiedliche Gründe für dieses mitunter frustrierende Wirrwarr. Einer der wesentlichsten: Die Hersteller schaffen sich über die Kleidergröße ein Idealbild ihrer Kundinnen. Nicht die Kleider sollen sich den Frauen anpassen, sondern die Frauen den Kleidern.
Viele Hersteller schneidern für eine ganz konkrete Zielgruppe. Bei Mango etwa gilt 40 bereits als Übergröße, beim Trendlabel Brandy Melville gibt es überhaupt nur Kleidung in Größe S. Viele Hersteller, die sich das Diversitätslabel umhängen und auch größere Größen anbieten, schaffen nur oberflächlich Grenzen ab, indem sie Mode in Übergrößen in Extrabereichen des Ladens anbieten, statt sie zu den anderen Größen zu hängen. Andere Labels wiederum zeichnen ihre Stücke bewusst kleiner aus und schneidern „Schmeichelgrößen“, da passt einer Dame mit 44 plötzlich eine 40. Hinzu kommt, dass die verwendeten Maße nicht nur von Geschäft zu Geschäft verschieden sind, sondern auch starke regionale und nationale Differenzen aufweisen. Dass sich dieser situations- und imageelastische Umgang der Labels mit „Standards“ zukünftig flächendeckend verändern wird, ist eher unwahrscheinlich.
Kein Shopping ist aber auch keine Lösung. Da hilft nur: Bleiben, wie man ist, die Suche nach einem Label, das wirklich zu einem passt, nicht aufgeben – und jedes Mal, wenn der Po das Kleid wieder mal völlig unverständlicherweise zu sehr ausfüllt, mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen aus der Umkleidekabine treten.
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